Der Industriepark Kleefse Ward (IPKW) im niederländischen Arnheim war einst ein wichtiger Produktionsstandort von Zellulose und Zellulosenitrat. Heute beheimatet der Industriekomplex produzierende Unternehmen unterschiedlicher Branchen und hat sich zu einem Vorreiter bei der nachhaltigen Gewinnung und Nutzung von Energie entwickelt. Der Betreiber hat es sich zum Ziel gesetzt, den IPKW zum umweltfreundlichsten Industriestandort der Niederlande zu machen. Dafür investiert der Betreiber in den Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung am Standort. Vor diesem Hintergrund wurde das Unternehmen Stork Thermeq, ein weltweit führender Lösungsanbieter für Dampferzeugung und Wärmerückgewinnung in Industrieanlagen, mit dem Neubau eines Biomasseheizkraftwerks (BMHKW) beauftragt.
Das Heizkraftwerk soll nachhaltig produzierte Wärme und Strom an die Unternehmen des Industrieparks liefern und über das Fernwärmenetz auch Haushalte der Stadt Arnheim versorgen. Die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Kopplung, kurz: KWK) gilt als be-sonders nachhaltig. Die Anlage ist daher nach dem nationalen Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) grundsätzlich finanziell förderwürdig. Die mit der Kraft-Wärme-Kopplung erzeugte Wärme und Elektrizität wird zudem per Einspeisevergütung bezuschusst.
Stork Thermeq hat die bestehende Kesselanlage nach dem neuesten Stand der Technik auf Biomassebetrieb umgestellt. Durch den hohen Bedarf an Dampf für das Fernwärmenetz ist das KWKG mit Gegendruckturbinen ausgestattet. Der vom Biomasse-Dampfkessel erzeugte Hochdruckdampfstrom wird in zwei Ströme aufgeteilt. Ein Hochdruckdampfstrom wird direkt an die Unternehmen des IPKW geliefert. Der andere wird über die Gegendruckturbine zur Stromerzeugung genutzt. Die Restwärme des Niederdruckdampfes aus der Turbine wird dann im Fernwärmenetz weiterverwendet.
Die Anlage muss messtechnisch so ausgelegt sein, dass der Betreiber den Prozessdampf an die Abnehmer des Industrieparks weiterberechnen kann. Zudem ist die nachhaltig produzierte Energie aus Strom und Dampf nachweispflichtig, sobald die staatliche Förderung und Einspeisevergütung in Anspruch genommen wird. Dabei gilt: Nur die Wärme und Elektrizität aus KWK-Anlagen kann und darf abgerechnet werden. Die Biomasse-KWK muss daher auch messtechnisch strikt von anderen Anlagenteilen (z.B. Hilfskesseln und sonstigen Wärmequellen) getrennt werden, die nicht Bestandteil der nachhaltigen Energieerzeugung sind.
Die Messung der Energieströme erfolgt gemäß Messgeräterichtlinie und entsprechend dem gültigen Eichgesetz. Dies gilt etwa für die Abrechnung von Warmwasser (MI-004/ OIML R-117). Jedoch sind nicht alle Medien in der Messgeräterichtlinie definiert. Für die Abrechnung von Wärmeenergie (Dampf) greift keine gültiges Eichrecht. Bei der messtechnischen Auslegung von Messstrellen gilt hier der Stand der Technik. Dabei sind entsprechende Verfahren anzuwenden, die eine höchstmögliche Genauigkeit gewährleisten. Dies setzt beispielsweise voraus, dass Messgeräte rückführbar kalibriert sind.
Für die Prozesssteuerung und zu Verrechnungs- und Nachweiszwecken suchte Stork Thermeq für mehrere Messstellen nach einer Instrumentierung. Das besondere Augenmerk galt dabei den Dampfmessungen. Die Messtechnik sollte der Norm ISO 5167 entsprechend genau sein und nur einen geringen Restdruckverlust erzeugen.
Medium | Steam |
Durchflussgeschwindigkeit | 14 m/s |
Dichte | 17,8 kg/m³ |
Druck | 56 bar |
Temperatur | +450°C |
Als Komplettanbieter von Messtechnik mit langjähriger Industrieerfahrung im Kraftwerksbereich sowie in eich- bzw. verrechnungspflichtigen Anwendungen, konnte sich KROHNE als Projektpartner qualifizieren. KROHNE lieferte für dieses Projekt eine Komplettlösung bestehend aus Durchfluss-, Druck- und Temperaturmesstechnik sowie einem Durchflussrechner. Zu diesem Paket zählte außerdem die messtechnische Auslegung, die Dokumentation und die Kalibrierung entsprechend dem niederländischen KWKG. Im Mittelpunkt des Komplettpakets standen die folgenden vier Messstellen:
Für die Speisewassermessung lieferte KROHNE das Ultraschall- Durchflussmessgerät OPTISONIC 3400 in der Version mit abgesetztem Messumformer (F). Das Messgerät überwacht die eingesetzte Menge an Speisewasser für den biomassebefeuerten Dampfkessel. Zusätzlich wurden der Drucktransmitter OPTIBAR PM 3050 und der Temperaturfühler OPTITEMP TRA-S34 installiert. Dadurch lässt sich neben dem Volumendurchfluss auch der Energiegehalt (Enthalpie) des Speisewassers bestimmen. Die Messwerte werden anschließend an den Mengenumwerter SUMMIT 8800 übermittelt. Sie sind wichtige Parameter, um die Leistung der Anlage bei Bedarf anzupassen. Zusätzlich dienen sie als Nachweis über die für die Kraft-Wärme-Kopplung eingesetzte Speisewassermenge und ermöglichen eine klare Trennung vom Prozess des konventionell befeuerten Hilfskessels.
Damit der Betreiber die Prozessdampfmengen abrechnen kann, lieferte KROHNE eine nach ISO 5167 kalibrierte Messstrecke. Diese besteht aus einer Venturidüse mit Ringkammerdruckentnahme als Wirkdruckgeber, inklusive geschmiedetem 5-fach-Ventilblock und Prozessventilen. Die Durchflussmessung erfolgt durch den Differenzdruckmessumformer OPTIBAR DP 7060. Er ist in dieser Anwendung mit einem Differenzdruckmessbereich bis 500 mbar und einem Überlastschutz bis 160 bar ausgeführt.
KROHNE hat die Kalibrierung auf einer rückführbaren Kalibrieranlage bei den gleichen im realen Prozess vorherrschenden Reynoldszahlen durchgeführt. Der OPTIBAR DP 7060 wurde zudem werkseitig über den gesamten Bereich des statischen Drucks und der Umgebungstemperatur 3D-linearisiert.
Typischerweise haben hohe Leitungsdrücke und erhöhte Umgebungstemperaturen dadurch praktisch keinen Einfluss auf die Messunsicherheit. Zusätzlich wurde die Messstelle mit dem Drucktransmitter OPTIBAR PM 3050 zur Relativdruckmessung sowie der Thermometer-Schutzarmatur OPTITEMP TRA-S34 ausgestattet. Dies ermöglicht dem Betreiber, eine druck- und temperaturkompensierte Massemessung durchzuführen und zusätzlich die Wärmeenergie (Enthalpie) zu bestimmen. Alle Messwerte werden an den für eichpflichtige Messungen zugelassenen Mengenumwerter SUMMIT 8800 übermittelt.
#1 Speisewassermessung #2 Prozessdampf-Durchflussmessung #3 Dampf-Durchflussmessung zur Gegendruckturbine #4 Einspeisemessung von Dampf für das Fernwärmenetz
Kalibrierte Messstrecke mit Venturidüse, OPTIBAR DP 7060, OPTIBAR PM 3050 und OPTITEMP TRA-S34
Eine weitere rückführbar kalibrierte Messstrecke mit gleicher Instrumentierung misst den Dampfdurchfluss, der die Gegendruckturbine versorgt. Auch hier werden alle Messwerte vom SUMMIT 8800 verarbeitet. Dabei wird die Energiemenge dieser Messstelle mit der Energiemenge der vorhergehenden Messtelle verrechnet, so dass die einzelnen Dampfströme genau voneinander getrennt erfasst werden können.
Um die in das Fernwärmenetz eingespeiste Energie abrechnen zu können, wird die Durchflussmessung vor der Turbine mit dem gemessenen Enthalpiewert verrechnet. Dazu ist die Messstelle hier mit dem Drucktransmitter OPTIBAR DP 3050 und der Thermometer-Schutzarmatur OPTITEMP TRA-S34 ausgestattet. Der SUMMIT 8800 verrechnet die Werte mit den Durchflussmesswerten der Turbineneinspeisung und ermittelt die im Fernwärmenetz bereitgestellte Energiemenge genau.
Installation der Venturidüse
Temperaturmessung mit dem OPTITEMP TRA-S34
Darstellung der Dampf- und Speisewassermessungen auf dem Mengenumwerter SUMMIT 8800
Die rückführbar kalibrierten Messstrecken reduzieren die installationsbedingten Messfehler auf ein Minimum, so dass die Energieströme genau und entsprechend den gesetzlichen Vorgaben gemessen werden. Auf diese Weise hält der Betreiber alle Anforderungen sowohl an die Abrechnung der Dampfmengen als auch an die staatliche Förderung und Einspeisevergütung ein.
Neben den Messstrecken und der dazugehörigen Instrumentierung hat KROHNE alle erforderlichen Services geliefert – vom Engineering über die Dokumentation und Materialzertifizierung bis hin zur Kalibrierung und Inbetriebnahme vor Ort. Storq Thermeq und der Betreiber profitierten dabei gleichermaßen von einer maßgeschneiderten Komplettlösung, die KROHNE durch sein Prozesswissen sowie seine Erfahrung im Bereich des eichpflichtigen Verkehrs und der Kalibrierung aus einer Hand liefern konnte.
Für alle Anwendungen, die dem KWKG unterliegen, kann KROHNE die passende Durchflussmesstechnik bereitstellen. Hierzu zähen Anwendungen für Dampf, Speisewasser, Kondensat, Brenngas u.a., zum Beispiel Messungen in Fernwärmenetzen nach MID MI-004 (gemäß Genauigkeitsklasse 1).